SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Unterbrechen oder nicht unterbrechen

Seit Jahrzehnten wird in Österreich ein getrenntes System bei der Beurteilung von Patentverletzungen angewendet: die Verletzung an sich unterliegt der Kompetenz der Handelsgerichte (oder Strafgerichte) während die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Patents nur durch das Patentamt und dessen übergeordneten Gerichtsinstanzen festgestellt werden kann. Eine Nichtigkeitsentscheidung hat erga omnes Wirkung, d.h. das Patent wird aus den Registern gestrichen. Diese Trennung wird dadurch entschärft, dass die Berufungsgerichte, welche über die Verletzungsfrage entscheiden, dieselben sind wie für die Entscheidungen des Patentamts und gewöhnlich vor ihrer Entscheidung betreffend die Verletzung über die Nichtigkeit aussprechen. Nur im Verfahren einer einstweiligen Verfügung hat das Gericht über die Nichtigkeit des Patents als Vorfrage zu entscheiden. Sehr oft wird jedoch das Patent in diesem Verfahren aufrecht erhalten, wobei der Grad an Unsicherheit des Gerichts in der Höhe der dem Kläger auferlegten Sicherheitsleistung zum Ausdruck kommt. Um die Trennung der Frage der Nichtigkeit zu erreichen oder in der Tat das Gericht dazu zu zwingen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, muss der Beklagte einen Antrag auf Unterbrechung des Verletzungsverfahrens unter Geltendmachung der Nichtigkeit des Patents stellen und Beweise dafür vorlegen. Früher lag die Unterbrechung im Ermessen des Gerichts. Mit verschiedenen Änderungen im Patentgesetz wurde die Basis für diesen Beschluss zuerst in eine unbedingte Verpflichtung des Gericht zu unterbrechen geändert, was später in Richtung einer vorherigen Abwägung durch das Gericht abgeschwächt wurde. Seit 2004 hat das Gericht zunächst auf Basis der vom Beklagten vorgelegten Beweise darüber festzustellen, ob die Nichtigkeit des Patents wahrscheinlich ist. Wenn ja, muss es das Verfahren unterbrechen, damit das Patentamt über die Nichtigkeit entscheidet; wenn nein, muss es das Verletzungsverfahren ungeachtet etwaiger Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren fortsetzen. In einem kürzlich berichteten Fall (4 Ob 41/15f) beantragte die Beklagte eine Unterbrechung auf der Grundlage, dass fünf Einsprüche gegen das vermeintlich verletzte Patent vor dem Europäischen Patentamt anhängig wären und daher die Nichtigkeit wahrscheinlich sei. Die Beklagte legte außerdem Belege für diesen Umstand vor. Das Gericht erster Instanz (Handelsgericht Wien) setzte das Verletzungsverfahren mit dem Beschluss fort, dass die Klägerin € 3.500,- als Kostenvorschuss für den Gerichtssachverständigen zu hinterlegen hätte, welcher nach der Hinterlegung der Vorschussleistung zur Klärung des Verletzungstatbestandes zu bestellen sei. Als Begründung wurde angegeben, dass die Nichtigkeit des Patents nicht für wahrscheinlich zu halten sei. Das Gericht entschied somit nicht ausdrücklich über den Antrag auf Unterbrechung, sondern wies diesen implizit dadurch ab, dass es die Konsequenzen anwendete. Die zweite Instanz (Oberlandesgericht Wien) befand im Rekurs, dass auf Basis der Zivilprozessordnung ein derartiger Beschluss der Unterinstanz über eine Ermessensfrage nicht anfechtbar sei. Im außerordentlichen Revisionsrekurs widersprach der Oberste Gerichtshof dieser Begründung und stellte fest, dass nach der Beantwortung der Vorfrage der Wahrscheinlichkeit der Nichtigkeit des Patents kein Ermessensspielraum sondern vielmehr die Verpflichtung des Gerichts besteht, das Verfahren zu unterbrechen. Daher war der Rekurs der Beklagten sehr wohl berechtigt. Er verwies den Fall zur Beurteilung der Frage der Wahrscheinlichkeit der Nichtigkeit des im Verletzungsverfahren geltend gemachten Patents und der sich daraus ergebenden Rechtsfolge, zu unterbrechen oder nicht zu unterbrechen,  zurück an das Rekursgericht. Für uns Nutzer des Patentsystems in Österreich ist diese Entscheidung tröstlich, weil der (explizite oder implizite) Beschluss über den regelmäßig gestellten Antrag auf Unterbrechung zur Überprüfung der Wahrscheinlichkeit der Nichtigkeit des Patents anfechtbar ist. Das ist deshalb wichtig, weil die Unterbrechung eine Pause des Verletzungsverfahrens für zwei oder mehr Jahre, aber auch mehr Gewissheit in der Frage der Nichtigkeit, welche ein für alle Mal geklärt wird, bedeutet.