SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Schutzbereich berühmter Marken

Auf Basis der für alkoholische und nicht-alkoholische Getränke sowie für Klasse 3-Güter wie Parfums eingetragenen Marken RED BULL und BULL beantragte die Firma hinter RED BULL die Löschung der Wortmarke PITBULL sowie der zugehörigen Bildmarke, welche zentral den Kopf eines Pitbull-Terriers, darüber das Wort PITBULL und darunter die Wortfolge "get the power" aufweist. Diese Marken wurden für dieselben Waren registriert, sodass dieser Punkt unstrittig war.

Der Oberste Patent- und Markensenat (OPMS) stellte in seiner Entscheidung (OM 5/19) übereinstimmend mit der ersten Instanz fest, dass die Marke PITBULL nicht verwechselbar ähnlich zu RED BULL oder BULL ist, selbst wenn die aufgrund intensiver Benutzung weit überdurchschnittliche Unterscheidungskraft der Marke RED BULL berücksichtigt wird. Die Ähnlichkeit in einem Merkmal (Klang, Bild, Bedeutung) kann durch Unterschiede in einem anderen Merkmal aufgehoben werden, sofern diese Unterschiede für den Konsumenten sofort erkennbar sind. In den Marken RED BULL und BULL fällt sogleich die englische Bedeutung von BULL, d.h. Stier, auf. Demgegenüber verweist die Marke PITBULL in ihrer zusammengesetzten Form auf eine Hunderasse, die für ihre Aggressivität bekannt ist. Im Klang könnte lediglich eine Ähnlichkeit zur Marke BULL bestehen; da jedoch PITBULL nicht als separate Worte und mit Betonung auf die erste Silbe - nicht den Wortbestandteil BULL - ausgesprochen wird, sind die klanglichen Ähnlichkeiten von geringem Gewicht. Zudem sind auch die Bilder der zugehörigen Bildmarken verschieden. Es ist anzunehmen, dass der durchschnittliche Konsument über die verschiedene Bedeutung der beiden Zeichen hinreichend informiert ist. Zudem achten die Konsumenten von Energy Drinks üblicherweise genau auf die Marken solcher Getränke und sind sich demnach des Unterschieds unmittelbar bewusst. Somit besteht keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken.

Andererseits ist der erweiterte Schutz für berühmte Marken - obgleich nur für nicht-ähnliche Güter geregelt - auch auf Fälle identischer Güter anzuwenden (s. EuGH in C-292/00 Davidoff). Der Schutz berühmter Marken setzt keine Verwechslungsgefahr der Marken voraus, wohl aber eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die jüngere Marke mit der älteren gedanklich miteinander verknüpft, da die jüngere Marke nur in diesem Fall einen unlauteren Vorteil daraus ziehen oder den Ruf der früheren Marke beeinträchtigen kann (vgl. EuGH in C-408/01 Adidas oder C-487/07 l'Oreal). Die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Marke RED BULL wurde mehrfach nachgewiesen und kann auch für den Zeitrang der Marke PITBULL nicht in Zweifel gezogen werden. Eine gedankliche Verknüpfung der Marken ist im Hinblick auf den Wortbestandteil BULL in PITBULL, welcher darin nicht völlig untergeht und zudem in der Bildmarke zu erkennen ist, zu bejahen.

Eine berühmte Marke ist nur gegen eine unlautere Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Unterscheidungskraft und Wertschätzung geschützt. Hiefür reicht das bloße Bestehen einer Ähnlichkeit im Sinne einer gedanklichen Verknüpfung nicht aus (vgl. EuGH in C-252/07 Intel Corporation oder C-487/07 l'Oreal). Die Benutzung eines ähnlichen Zeichens - für identische oder ähnliche Waren - legt bereits unlautere Motive nahe, da der Ruf der berühmten Marke damit auf einfache Weise zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden kann. Dies gilt gleichermaßen für die Ausnützung der Unterscheidungskraft der berühmten Marke.

Im vorliegenden Fall zieht der Inhaber der jüngeren Marke zweifellos einen unlauteren Vorteil aus der Berühmtheit der älteren Marke. Durch Verwendung des wesentlichen Wortbestandteils BULL der berühmten Marke in seiner Marke PITBULL wird versucht, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Produkt zu lenken. Der Reiz der Marke PITBULL liegt für den Inhaber offensichtlich in dieser gedanklichen Verknüpfung. Demzufolge besteht die ernsthafte Gefahr, dass die Benutzung der Marke PITBULL das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers zukünftig beeinflussen wird, was als hinreichender Nachweis für die Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der berühmten Marke genügt (s. EuGH in C-252/07 Intel).

DI Helmut Sonn