SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Nachahmung der durchsichtigen Blisterverpackung der "Schwedenbomben"

Ein bekanntes österreichisches Unternehmen, die spätere Klägerin, vertreibt seine sehr bekannten "Schwedenbomben" seit Jahrzehnten in durchsichtigen Sechser-Blisterverpackungen. Ein Schutz für die Form der Schaumzuckerwaren wurde 1976 mit der Begründung verweigert, dass eine Ausgestaltung als "Bombe" technisch gesehen der beste Herstellungsweg sei. Das Unternehmen verfügt jedoch seit 1969 über zwei Formmarken zu den durchsichtigen Blisterverpackungen mit den speziell ausgestalteten Abteilen für die Schwedenbomben; die eine Formmarke zeigt die Verpackung mit und die andere Formmarke ohne die Schaumzuckerwaren in der Verpackung. Die Sechser-Verpackung besteht dabei aus zwei Reihen mit jeweils drei Abteilen. Davon verkauft das Unternehmen in Österreich jährlich fast 5 Mio. Stück, was einen Marktanteil von etwa 80 % bedeutet. Somit besteht an der Bekanntheit der Verpackung in Österreich kein Zweifel.

Eine Mitbewerberin, die spätere Beklagte, vertreibt ihre "Schaumzuckerwaren" seit 2011 in aus zwei Reihen zu je sechs Abteilen bestehenden Zwölfer-Blisterverpackungen, die - abgesehen von der Größe - mit jenen des Traditionsherstellers übereinstimmen. Die Herstellerin der Schwedenbomben klagte daraufhin wegen Verletzung ihrer Rechte an der Sechser-Verpackung und stellte einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung, welchem - nach einer abschlägigen erstinstanzlichen Entscheidung - in zweiter Instanz stattgegeben wurde. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dies nun bestätigt (4 Ob 61/12t vom 11. Mai 2012), da die Annahme, die Zwölferverpackung sei eine bloße Abwandlung der sonst üblichen Sechserform überaus naheliege.

Von allgemeiner Bedeutung an diesem Fall ist die Antwort des OGH auf den von der Beklagten vorgebrachten Einwand, dass die Formmarken null und nichtig seien, da sie ausschließlich aus der Form der Ware bestünden (Art 3 para 1 lit e (i) MarkenRL). Dazu habe der EuGH ausgesprochen, dass die Verpackung nur dann als Form der Ware angesehen werden kann, wenn die Ware selbst keine ihr "innewohnende Form" hat, sodass ihr erst die Verpackung die Form gibt; das trifft etwa bei Waren in körniger, pudriger oder flüssiger Konsistenz zu (EuGH C-218/01, Henkel). Bei Verpackungen für Schaumzuckerwaren, die zweifellos eine eigene Form haben, sei dieses Erfordernis nicht erfüllt.

An der Unanwendbarkeit dieser Bestimmung ändere sich nichts, wenn diese Bestimmung - entgegen der zitierten Entscheidung des EuGH - unter bestimmten Umständen auch auf Verpackungen von (wie hier) nicht amorphen Waren anzuwenden wäre (so offenbar die Praxis des HABM). Denn der Tatbestand des Eintragungshindernisses ist nur dann erfüllt, wenn die wesentlichen Merkmale der Form eine technische Funktion erfüllen. Das trifft hier schon deswegen nicht zu, weil die Marken die Verpackung als durchsichtig darstellen und daher von vornherein nicht ausschließlich aus der Form als solcher bestehen. Jedenfalls ist aber die Durchsichtigkeit, die das Wahrnehmen der Waren und ihrer Anordnung ermöglicht, ein wesentliches Merkmal der Verpackung, das keine technische Funktion hat.

Die Schutzfähigkeit könnte daher nur am Fehlen der Unterscheidungskraft scheitern, was bei Verpackungen durchaus zutreffen kann. Dem diesbezüglichen Einwand steht jedoch die vor Aufnahme der Benutzung durch die Beklagte erworbene Verkehrsgeltung der in den Marken dargestellten Verpackungen entgegen. Zwar wirkt sie nicht auf die Eintragung zurück. Das Rekursgericht hat aber richtig erkannt, dass sich die Klägerin in diesem Fall jedenfalls auf § 9 Abs 3 UWG stützen kann, womit auch Verpackungen mit Verkehrsgeltung unter Schutz gestellt werden.

Manchmal werden nur phantasievolle Verpackungen für schutzfähig erachtet. Die vorliegende Entscheidung zeigt jedoch in Auslegung der EuGH-Entscheidung "Henkel", dass dies für Waren mit einer eigenen Form sowie Durchsetzung der Verpackung im Verkehr nicht der Fall ist.

DI Helmut Sonn