SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Sprache in IP-Verfahren

Mit Inkrafttreten der Patent- und Markenrechts-Novelle 2014 geht der Rechtszug von Entscheidungen des Österreichischen Patentamts (ÖPA) nunmehr zum OLG Wien mit weiterem Rechtsmittelzug zum OGH. Diese Abweichung von der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 folgte dem Wunsch der gesamten Interessensgruppen. Sie stellt sich als gelungen heraus, weil der Zeitraum zwischen dem Ergreifen eines Rechtsmittels bis zur Entscheidung darüber dadurch deutlich verkürzt wurde. Ein weiterer Vorteil dieser Reform ist die Verbesserung der sog. Verzweigung im Verletzungsverfahren. Den Rechtsmittelinstanzen steht jeweils ein spezialisierter Senat für alle Verfahren betreffend gewerbliche Schutzrechte zur Verfügung, wobei derselbe Senat auch für Rechtsmittel in Verletzungsverfahren zuständig ist. Über Rechtsmittel in Nichtigkeits- sowie Verletzungsverfahren betreffend dasselbe Schutzrecht wird daher vom selben Senat entschieden.

Das "Sprachenproblem" ist, dass das ÖPA in allen seinen Verfahren (Anmeldungen, Einsprüche bzw. Widersprüche, Nichtigkeitsanträge) Dokumente in Deutsch, Englisch und Französisch ohne ein Übersetzungserfordernis akzeptiert und selbst einbringt (z.B. im ex parte Prüfungsverfahren). So müssen beispielsweise umfangreiche Patentschriften oder Benutzungsnachweise für europäische Marken udgl nicht übersetzt werden, wenn sie in einer der genannten Sprachen vorliegen. Diese Regelung des ÖPA bedeutet eine erhebliche Erleichterung für sämtliche Verfahren betreffend Prüfung, Einspruch bzw. Widerspruch und Nichtigkeit sowie auch Registerverfahren wie Übertragung und Eintragung von Lizenzen oder Pfandrechten udgl.

Andererseits schreiben die Bundesverfassung und die Gerichtsordnung eindeutig die Verwendung der deutschen Sprache als Gerichtssprache vor. Das betrifft auch alle als Beweismittel jeglicher Art vorgebrachten Dokumente. Diese Vorschrift kennt keine Ausnahme und setzt daher die Übersetzung sämtlicher fremdsprachiger Dokumente ins Deutsche voraus. Dies gilt auch für die in Rechtsmittel gegen Entscheidungen des ÖPA zuständigen Gerichte und steht im Widerspruch zu früheren Beschwerdeverfahren, welche spezialisierte, bis zur dritten Instanz rein verwaltungsgerichtliche Verfahren waren, für die keine Übersetzungen benötigt wurden.

Da diese Nebenwirkung der Reform 2014 umständlich und kostspielig ist, war das OLG Wien auf der Suche nach einer Kompromisslösung. In einer jüngst ergangenen Entscheidung in einem markenrechtlichen Verfahren, in dem der Benutzungsnachweis durch eine Vielzahl fremdsprachiger Dokumente eine entscheidende Rolle spielte, wurde festgestellt, dass, weil - grundsätzlich - alle als Beweismittel vorgebrachten Dokumente der freien Beweiswürdigung durch das Gericht unterliegen, die fremdsprachigen Dokumente als solche gewürdigt werden, wenn Mitglieder des Senats deren entscheidende Teile ohne Übersetzung lesen und verstehen können. Dies wäre auf alle Sprachen und nicht nur Englisch und Französisch anwendbar. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob diese Praxis einem Rechtsmittel bezüglich der damit verbundenen Rechtsfrage zum OGH standhält.

Unseres Erachtens sind Dokumente, mit denen der Benutzungsnachweis für Marken erbracht werden soll, meist einfach und ohne Übersetzung verständlich, weil die entscheidenden Teile die Wiedergabe der Marke, Daten, Verkaufszahlen, Preise oder Werbungen udgl umfassen, welche für gewöhnlich kaum sprachabhängig sind. Darüber hinaus liegen die Waren- und/oder Dienstleistungsverzeichnisse von Gemeinschaftsmarken bereits auch in Deutsch vor.

Allerdings ist nur schwer vorhersehbar, ob die Gerichte Patentschriften und technische Aufsätze auf Basis einer bloßen Einschätzung des Beitrags des jeweiligen Beweismittels, ohne auf zumindest teilweise Übersetzungen zurückzugreifen, bewerten werden. Bis jetzt gab es keine vergleichbare Entscheidung in einem Patentfall.

Schlussfolgerung: Das Beschwerdeverfahren verläuft nun erheblich rascher als zuvor, könnte aber potentiell - insbesondere in Patentfällen - aufgrund von Übersetzungserfordernissen mit deutlich höheren Kosten als früher verbunden sein.

DI Helmut Sonn