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SKORPION

In einer jüngeren Entscheidung entwickelte der Oberste Gerichtshof (OGH) seine Rechtsprechung zum Schutzbereich der Marke und verneinte das Entstehen von Zwischenrechten, wenn die ältere Marke im Kollisionszeitpunkt mit einem jüngeren Zeichen nicht rechtserhaltend benutzt war.

Die Klägerin ist Inhaberin einer österreichischen Wort-Bild-Marke mit dem Wortbestandteil "SKORPION MOBILE EINSATZGRUPPE" und der bildlichen Darstellung eines Skorpions. Die Marke ist mit Priorität vom 11. September 1990 für Bewachungsdienste (Klasse 39) und Dienstleistungen eines Detektivs (Klasse 42) eingetragen. In ihrer Firma führt die Klägerin den Begriff Skorpion" allerdings erst seit 2008.

Die Beklagte wurde 1992 als "Scorpio Security Bewachungen GmbH" gegründet. Sie bietet ebenso wie die Klägerin Bewachungs- und Detektivdienstleistungen an. Diese Umstände sollen der Klägerin jedoch erst 2010 bekannt geworden sein.

Die Markeninhaberin klagte u.a. auf Unterlassung und Änderung des Firmennamens. Das Erstgericht befand, dass "Scorpio" im Firmenwortlaut der Beklagten und der Markenbestandteil "Skorpion" nahezu ident seien, sodass im Hinblick auf die zu denselben Warenklassen gehörenden Dienstleistungen Verwechslungsgefahr bestehe. Die Marke sei rechtserhaltend benutzt worden; mangels Kenntnis der Benutzung des geschützten Zeichens sei keine Verwirkung eingetreten. Auch dem Begehren auf Änderung der Firma wurde stattgegeben.

Beide Streitparteien gingen in Berufung. Das Berufungsgericht entschied, dass die Beklagte nicht zur Änderung ihrer Firma verpflichtet sei. Der Inhaber einer Marke könne nur deren (markenmäßige) Benutzung verbieten. Das Führen einer Firma sei nach der EuGH-Entscheidung C-17/06, Céline, für sich allein noch keine Benutzung der Marke. Daher bestehe kein Anspruch auf Änderung der Firma. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs hielt das Berufungsgericht jedoch fest, dass die Klägerin zwar die bessere Priorität habe, die Klagemarke sei jedoch erst rechtserhaltend benutzt worden, nachdem die Beklage gegründet worden ist. Hätte also die Klägerin ihre Marke beispielsweise in den Jahren 1991 bis 1996 nicht entsprechend benutzt und somit an sich den Löschungstatbestand verwirklicht, so wäre ein im Jahre 1997 von ihr erhobenes Unterlassungsbegehren erfolglos geblieben. Später begonnene Benutzungshandlungen könnten folglich demjenigen, der zwischenzeitig ein Schutzrecht erworben habe, nicht mehr "rückwirkend entgegengehalten" werden.

Der Kläger zog gegen diese Entscheidung vor den OGH. Im Hinblick auf den Schutzbereich der Marke bestätigte der OGH die Feststellungen des Berufungsgericht zur EuGH-Entscheidung "Céline", wonach die Benutzung einer Marke durch den Inhaber einer gleichnamigen Firma infolge der unterschiedlichen Funktionen von Firma und Marke kein Kennzeichenverstoß sei, es sei denn, dass die Firma auf den Waren angebracht oder auf andere Weise zur Marke gemacht wird. Nur solche Benutzungen beeinträchtigen die Funktionen der Marke, insbesondere die Herkunftsfunktion. Die frühere Rechtsprechung des OGH zum Anspruch auf Unterlassung des Führens einer Marke oder eines (kennzeichnungskräftigen) Markenbestandteils in einer Firma könne daher nicht aufrechterhalten werden. Auf der anderen Seite konnte der OGH den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Nichtbenutzung der Marke vor der für den Löschungsanspruch maßgeblichen 5-Jahres-Frist nicht folgen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes könne der Verfall einer Marke nicht geltend gemacht werden, wenn nach Ende der Benutzungsschonfrist und vor Stellung des Antrags auf Verfallserklärung die Benutzung der Marke ernsthaft begonnen oder wieder aufgenommen worden ist. Eine Durchbrechung des Registerprinzips - wie im deutschen Markenrecht - sei dem österreichischen Recht nicht zu entnehmen. Danach ist der (aus dem deutschen Recht stammende) Einwand des Entstehens eines "Zwischenrechts" nicht zulässig. Im Ergebnis ist daher allein entscheidend, ob bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Löschungsreife vorlag.

Die vorliegende Entscheidung stärkt die Rechte von österreichischen Markeninhabern, denen im Verletzungsstreit nicht die (durch spätere Benutzungshandlungen heilbare) Löschungsreife zum Zeitpunkt der Entstehung eines jüngeren Kennzeichens entgegengehalten werden kann. Darüber hinaus hat der OGH klargestellt, dass nur solche Benutzungen durch einen unberechtigten Dritten in die Markenrechte eingreifen, welche die (Herkunfts-)Funktion der Marke beeinträchtigen. Das Führen eines Firmennamens kann für sich genommen nicht vom Markeninhaber untersagt werden.

DI Johannes Strobl