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Markenbenutzung - EU-Gericht kippt Beschwerdekammer-Rechtsprechung zu Hoteldienstleistungen

Kann die Erbringung von Dienstleistungen unter einer bestimmten Marke außerhalb der Europäischen Union eine ernsthafte Benutzung dieser Marke innerhalb der EU darstellen? Auf den ersten Blick könnte man meinen, diese Frage sei leicht zu beantworten. Ein Gebiet außerhalb der EU ist definitiv nicht "in der EU" und läuft damit direkt und unmissverständlich den Bedingungen des Art. 58 (1) (a) und Art. 18 UMV über die ernsthafte Benutzung zuwider. In einer kürzlich ergangenen Entscheidung (T-768/20 vom 13. Juli 2022 – The Standard) war das Gericht erster Instanz jedoch anderer Meinung und hob eine Entscheidung der Beschwerdekammer auf, die zu dieser "einfachen" Schlussfolgerung gelangt war.

In Erwiderung eines Antrags auf Verfallserklärung wegen Nichtbenutzung seiner Unionsmarke "The Standard" für Hotel- und verwandte Dienstleistungen hatte der Markeninhaber Beweise dafür vorgelegt, dass er seine Marke für Hotel- und verwandte Dienstleistungen in den USA sowie für Anzeigen und Werbekampagnen, die sich an in der Europäischen Union ansässige Kunden richteten, im Zusammenhang mit Buchungen, die von Kunden direkt oder über in der Europäischen Union ansässige Reisebüros vorgenommen wurden, auf Rechnungen, die an in der Europäischen Union ansässige Kunden gerichtet waren, für ein Buchungsportal, das für Kunden aus der Europäischen Union über die Website der Klägerin zugänglich ist, benutzt hatte. Weiters legte der Markeninhaber von der Software Google Analytics ausgegebene Zahlen über den Verkehr auf seiner Website vor sowie Ausdrucke der Website, die sich auf verschiedene Hoteldienstleistungen und -ausstattungen beziehen, die Kunden, insbesondere in der Europäischen Union, angeboten und von diesen in Anspruch genommen werden, oder auch Artikel, die sich auf Auszeichnungen und erhaltene Preise beziehen.

Die Beschwerdekammer des EUIPO hatte die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung bestätigt, wonach die Benutzung der Marke für Hoteldienstleistungen und damit zusammenhängende Nebenleistungen in den USA keinen Nachweis über eine ernsthafte Benutzung der Marke in der Europäischen Union darstellt, da diese Dienstleistungen tatsächlich außerhalb des betreffenden Gebiets erbracht wurden. Unabhängig von der Nationalität oder der geografischen Herkunft der Verbraucher bleibe der Ort der Benutzung der Marke die USA, sodass der Nachweis der Benutzung nicht gelungen sei.

Das Gericht vertrat nun – unter anderem unter Verweis auf die eigenen Prüfungsrichtlinien des EUIPO – die Auffassung, dass auch die Förderung, das Anbieten zum Verkauf und die Werbung für Dienstleistungen, die außerhalb des Gebiets der EU erbracht werden, eine ernsthafte Benutzung der Marke in Bezug auf diese Dienstleistungen darstellen können.

Wesentlich sei also, den Ort der Erbringung der Dienstleistungen nicht mit dem Ort der Benutzung der EU-Marke zu verwechseln. Darüber hinaus betonte das Gericht, dass die Benutzung einer Marke in Zusammenhang mit der Förderung von und Werbung für bestimmte Dienstleistungen als Benutzung für diese bestimmten Dienstleistungen und nicht für „Werbedienstleistungen" im eigentlichen Sinne anzusehen sei, und korrigierte damit die auch in diesem Punkt abweichende Entscheidung der Beschwerdekammer.