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"Kornspitz" - Marke oder Gattungsbezeichnung?

Der Oberste Patent- und Markensenat (OPMS) hat jüngst wieder ein Ersuchen um Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof gerichtet, mit welchem die Voraussetzungen für die Entwicklung einer Marke zur allgemeinen Gattungsbezeichnung geklärt werden sollen.

Das Vorabentscheidungsersuchen bezieht sich auf einen Löschungsantrag gegen die Marke "Kornspitz", welche sich nach Ansicht der Antragstellerin zur - nicht länger markenrechtlich schützbaren - gebräuchlichen Bezeichnung entwickelt habe. Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts gab der Antragstellerin Recht und verfügte die Löschung der Marke für alle geschützten Waren.

Der OPMS hielt dazu jedoch fest, dass die Marke im konkreten Fall für Waren registriert ist, die auf verschiedenen Märkten gehandelt werden. Einerseits handelt sich dabei um Roh- und Zwischenprodukte, deren Endabnehmer vorwiegend Bäcker- und Lebensmittelhändler sind. Diesen Verkehrskreisen sei aber immer noch bekannt, dass es sich bei der Bezeichnung "Kornspitz" um einen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen handelt. Insofern sei die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung jedenfalls abzuändern.

Anders verhalte es sich bei den Endprodukten, also bei "Backwaren", welche sich an den Verbraucher richten. In dieser Gruppe hat sich "Kornspitz" nach den Feststellungen der Vorinstanz zur gebräuchlichen Bezeichnung für Backwaren mit einer bestimmten Zusammensetzung und Form entwickelt; als Herkunftshinweis verstünden Verbraucher diesen Begriff nicht mehr.

Daraus entwickelte der OPMS die Frage an den EuGH, ob ein Verfall wegen Entwicklung zum Gattungsbegriff in Betracht kommt, wenn zwar den Händlern bewusst ist, dass es sich dabei um einen Herkunftshinweis handelt, sie das aber gegenüber den Endverbrauchern in der Regel nicht offen legen, und die Endverbraucher die Marke (auch) aus diesem Grund nicht mehr als Herkunftshinweis, sondern als gebräuchliche Bezeichnung der eingetragenen Waren verstehen.

Zudem ersuchte der OPMS um Vorabentscheidung zur Frage, ob eine Untätigkeit des Markeninhabers iSv Art 12 Abs 2 lit a Marken-Richtlinie schon dann vorliegt, wenn der Markeninhaber untätig bleibt, obwohl die Händler Kunden nicht darauf hinweisen, dass es sich um eine eingetragene Marke handelt. Im vorliegenden Fall hatte die Markeninhaberin - mangels Verletzungshandlungen - wenig Veranlassung, ihre Markenrechte aktiv durchzusetzen; die Händler wurden jedoch auch nicht dazu gedrängt, die Endverbraucher auf das Bestehen des Markenschutzes hinzuweisen.

Schließlich richtete der OPMS an den EuGH die Frage, ob eine Marke, die aufgrund des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers für Endverbraucher, nicht aber für den Handel zur gebräuchlichen Bezeichnung geworden ist, dann für verfallen zu erklären ist, wenn die Endverbraucher auf diese Bezeichnung angewiesen sind, weil es keine gleichwertige Alternativen gibt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Auslegung des EuGH der einschlägigen Bestimmungen der EU-Marken-Richtlinie zur Klärung der Fragen beitragen wird und nicht - wie zB in jüngst ergangenen Stellungnahmen zur Schutzzertifikats-Verordnung - durch die Antworten des EuGH weitere Auslegungsfragen aufgeworfen werden.

Dr. Rainer Beetz, LL.M.