SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Fallen aufgrund der Trennung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren

Der Oberste Gerichtshof (OGH) befasste sich in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (17Ob11/11h) mit der Haftung eines Anwalts gegenüber seinem Mandanten für pflichtwidriges Verhaltens in Zusammenhang mit einem Streit aus einem Gebrauchsmuster.

Der beklagte Anwalt wurde mit der Begründung in Anspruch genommen, dass die Klägerin in Folge der Falschberatung durch den Rechtsanwalt die Einbringung eines Antrags auf Nichtigerklärung des streitgegenständlichen Gebrauchsmusters beim Österreichischen Patentamt unterlassen hatte.

Bekanntlich ist ein anhängiges Verletzungsfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung eines von den Beklagten fristgerecht eingeleiteten Nichtigkeitsverfahrens zu unterbrechen, wenn das Verletzungsgericht die Nichtigerklärung aufgrund des Beweisverfahrens für wahrscheinlich erachtet; Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren werden demnach - auch bei Gebrauchsmustern - gänzlich getrennt geführt. Zur Einbringung der Nichtigkeitsklage wird vom Verletzungsgericht eine Frist von einem Monat ab dem Unterbrechungsbeschluss gesetzt. Wenn kein Nachweis über die fristgerechte Einbringung des Nichtigkeitsantrags erbracht wird, hat das Verletzungsgericht im fortgesetzten Verfahren ohne Rücksicht auf den Einwand der Nichtigkeit des streitgegenständlichen Schutzrechts zu entscheiden.

Der beklagte Rechtsanwalt riet seiner Mandantin, der nunmehrigen Klägerin, von der Einbringung einer Nichtigkeitsklage ab und schlug stattdessen vor, eine Lizenz an einem prioritätsälteren europäischen Patent zu erwerben. Aufgrund dessen wurde die 1-Monats-Frist zur Einreichung der Nichtigkeitsklage versäumt und das Verletzungsgericht hatte ohne Rücksicht auf den Einwand der Nichtigkeit des Gebrauchsmusters zu entscheiden. Im Zusammenhang mit der Lizenzvereinbarung stellte ein vom Verletzungsgericht berufener Sachverständiger die Identität der dem EP-Patent bzw. dem Gebrauchsmuster zugrundeliegenden Programme fest. Demnach hätte ein von der Klägerin eingebrachter Antrag auf Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters auf Basis des EP-Patents Erfolg gehabt. Allerdings ist der Klägerin der Nachweis über den Abschluss der Lizenzvereinbarung im Vorprozess nicht gelungen, sodass das Verletzungsgericht gegen die damalige Beklagte/jetzige Klägerin entschied.

In Sachen der Haftungsklage wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Rechtsanwalts entschied der OGH, dass im Rahmen der Anwaltshaftung der durch die Pflichtverletzung entstandene Schaden zu ersetzen ist. Liegt die Pflichtverletzung - wie hier - in der Unterlassung einer Prozesshandlung, ist im Rahmen der vom Kläger zu beweisenden Kausalität zu prüfen, welcher Schaden dem Mandanten dadurch entstanden ist, dass die notwendige Prozesshandlung unterblieben ist. Eine Unterlassung ist für den konkreten Schaden dann ursächlich, wenn die Vornahme einer bestimmten Handlung den Eintritt des Schadens verhindert hätte und diese Handlung auch möglich gewesen wäre. Die Kausalität ist demnach zu verneinen, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre. Hätte demnach der Mandant den Prozess aus anderen Gründen dennoch verloren, besteht kein Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Prozessverlust.

Im vorliegenden Fall erkannte der OGH allerdings die Beweiserhebungen des Erstgerichts als unzureichend an, um zu klären, ob die Klägerin in Anbetracht eines zwischen den Streitparteien getroffenen außergerichtlichen Vergleichs - trotz der Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters - verloren hätte. Somit wurde das Verfahren an die 1. Instanz zur Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Haftungsklagen wegen pflichtwidrigen Verhaltens eines Anwalts sind außerordentlich selten. Die vorliegende Entscheidung unterstreicht jedoch, dass die Verfahrensparteien auch in Gebrauchsmusterstreitigkeiten gut beraten sind, jedenfalls einen Patentanwalt beizuziehen, da die getrennte Behandlung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren für einen im gewerblichen Rechtsschutz nicht spezialisierten Anwalt eine Reihe von (verfahrensrechtlichen) Fallstricken mit sich bringt.

Dr. Rainer Beetz, LL.M.