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EPA- Rechtsprechung: Anforderungen in Bezug auf die offenkundige Vorbenutzung

Gem der E G 1/92 der GBK gehört die chemische Zusammensetzung eines Erzeugnisses zum Stand der Technik, wenn das Erzeugnis selbst der Öffentlichkeit zugänglich ist und vom Fachmann analysiert und reproduziert werden kann. In Punkt 1.4 der Entscheidungsgründe dieser E heißt es: „Ein wesentlicher Zweck jeder technischen Lehre besteht darin, dass der Fachmann in die Lage versetzt werden soll, ein bestimmtes Erzeugnis durch Anwendung dieser Lehre herzustellen oder zu benutzen. Ergibt sich eine solche Lehre aus einem Erzeugnis, das auf den Markt gebracht wird, so muss der Fachmann auf sein allgemeines Fachwissen zurückgreifen, um Aufschluss über alle zur Herstellung dieses Erzeugnisses benötigten Informationen zu gewinnen. Wenn der Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand die Zusammensetzung oder innere Struktur des Erzeugnisses erschließen und dieses reproduzieren kann, gehören sowohl das Erzeugnis als auch seine Zusammensetzung oder innere Struktur zum Stand der Technik.“ Dies ist so auszulegen, dass ein Erzeugnis – auch wenn das Erzeugnis vor dem Prioritäts-/Anmeldetag des Patents in Verkehr gebracht worden ist – als nicht der Öffentlichkeit iS von Art 54 Abs 2 EPÜ zugänglich gemacht angesehen werden kann, wenn der Fachmann zum Prioritäts- bzw Anmeldezeitpunkt keine technischen Möglichkeiten hatte, die Zusammensetzung oder die innere Struktur des Erzeugnisses festzustellen, oder wenn der Fachmann zum Prioritäts- bzw Anmeldezeitpunkt das Erzeugnis nicht reproduzieren konnte (EPA-BK 7.12.2017, T 1833/14).