Die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Replik
Unter der seit 1. 1. 2020 geltenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) obliegt es den Parteien, ihren Vortrag so rechtzeitig im Verfahren zu bringen, dass die Beschwerdekammer ihn bereits bei Abfassung des Ladungsbescheids berücksichtigen kann. Soweit eine Partei einen Teil ihres Vortrags nicht bereits in der Beschwerdebegründung unterbreiten kann, weil es sich um die Antwort auf Angriffe bzw Hilfsanträge handelt, die nicht bereits Gegenstand der angegriffenen Entscheidung waren, sondern von der Gegenseite erst in der Beschwerdeerwiderung unterbreitet wurden, stellt eine Replik hierauf für die Partei das Mittel der Wahl dar, um ihre Antwort rechtzeitig vorzubringen. Gerade aus diesem Grund sieht Art 15 Abs 1 VOBK vor, dass die Beschwerdekammer sich bemüht, nicht früher als zwei Monate nach Erhalt der Beschwerdeerwiderung die Ladung zu versenden. Das Argument, es sei nicht zumutbar, Kaskaden von Argumentationslinien im Hinblick auf jede denkbare Einschätzung der Beschwerdekammer vortragen zu müssen, greift nicht. Im zweiseitigen Beschwerdeverfahren trifft die Parteien die Pflicht zur sorgfältigen und beförderlichen Verfahrensführung, aus Gründen der Fairness gegenüber der anderen Partei, aber auch um das Verfahren innerhalb einer angemessenen Verfahrensdauer zum Abschluss zu bringen. Art 13 Abs 2 VOBK sanktioniert diese Pflicht zur Verfahrensförderung. Das Argument der Partei, es sei der Kammer und auch der Gegenseite zumutbar, sich in der mündlichen Verhandlung mit der Diskussion eines einfachen neuen Sachverhalts zu beschäftigen, lässt den Einfluss auf den weiteren Verfahrensverlauf außer Acht. Die erstmalige Diskussion einer Argumentationslinie in der mündlichen Verhandlung mag nämlich zu einer Situation führen, in der die Gegenseite ihre Verteidigungslinie erstmalig in der mündlichen Verhandlung überdenken und ggf anpassen muss, was zu einer deutlichen Verzögerung des Verfahrens führen und eine sachgerechte Entscheidung in der mündlichen Verhandlung erschweren oder unmöglich machen kann (Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts 9. 2. 2022, T 2843/19 ).