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Das Schicksal von Disclaimern in Europa

Der EuGH hat in der Rechtssache C–363/99 “Postkantoor” C–363/99 u.a. in Punkt 6 entschieden, dass “die Richtlinie 89/104 eine für die Eintragung von Marken zuständige Behörde daran hindert, eine Marke für bestimmte Waren oder Dienstleistungen unter der Voraussetzung einzutragen, dass sie ein bestimmtes Merkmal nicht aufweisen”. Das HABM hat bereits einige Disclaimer aufgrund dieses Urteils abgelehnt. Nationale Markenbehörden kämpfen nun mit der Reichweite dieser Entscheidung.

Diese Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage des holländischen Gerichts gründet sich auf ein spezielles Beispiel des vorlegenden Gerichts, das in Absatz 106 der Entscheidung wiedergegeben ist: “Das vorlegende Gericht fügt insoweit die Frage hinzu, ob die Marke “Postkantoor” z.B. für die Dienstleistungen der Betreuung von Direct–Mailing–Kampagnen und der Ausgabe von Briefmarken eingetragen werden könnte, soweit diese keinen Bezug zu einem Postamt (= Postkantoor in Holländisch) haben.“

Zunächst hielt der EuGH in Absatz 113 der Entscheidung fest, dass die zuständige Behörde eine Marke für einige Waren in der angegebenen Klasse eintragen kann, für andere nicht. Im darauf folgenden Absatz 114 führt der EuGH aus, dass trotz dieses Grundlage die Behörde keine Marken für Waren oder Dienstleistungen eintragen kann, die bestimmte Eigenschaften nicht aufweisen. In Absatz 115 erklärt der EuGH, dass eine derartige Praxis zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Markenschutzes führen würde. Dritte wären sich nicht darüber im Klaren, dass sich der verliehene Schutzumfang nicht auch auf diejenigen Waren oder Dienstleistungen erstreckt, die dieses bestimmte Merkmal aufweisen.

Diese Schlussfolgerung kann natürlich nicht allgemein angewendet werden, da diese Einschränkungen normalerweise veröffentlicht werden. Allerdings ist klar, dass einige Formulierungen in Disclaimern, wie die beispielhaft in der Entscheidung angegebene, schwierig auf dem Markt feststellbar sind.

Die allgemeine Regel in Absatz 113 der Entscheidung betrachtend, nämlich dass einige Waren oder Dienstleistungen des in Frage stehenden Warenverzeichnisses registrierbar sind und andere nicht, ist es jedenfalls aus der Sicht vieler nationaler Markenbehörden eine Frage der Wahl des richtigen Disclaimers. Diese Regel wird oftmals nicht derart interpretiert, dass alle möglichen Arten von Disclaimern unzulässig sind. Wenn die Waren oder Dienstleistungen im Warenverzeichnis in verschiedene Typen von tatsächlichen Produkten oder Dienstleistungen unterteilt werden können, dann kann ein Typ wohl als zulässig erachtet werden, andere jedoch nicht. Beispielsweise können Fahrräder für Erwachsene oder für Kinder vorgesehen sein. Somit könnte eine Marke “Kiddy” als beschreibend für Fahrräder gehalten werden, da das Zeichen beschreibend hinsichtlich des Zweckes der Ware ist. Tatsächlich beschreibt es aber lediglich den Zweck einer Unterklasse von Fahrrädern. Daher könnten Waren “Fahrräder für Erwachsene” sehr wohl registrierbar sein, und eine solche spezifische Einschränkung der Beschreibung der Waren kann als akzeptierbar gehalten werden, obwohl das Warenverzeichnis den Disclaimer “nicht für Kinder” enthält.

Wie ersichtlich, sind die Grenzen betreffend die Ausnahme von Disclaimern trotz dieser EuGH–Entscheidung nach wie vor zu sondieren.

Dipl.–Ing. Helmut Sonn