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Die Kornspitz-Geschichte - eine Erklärung

Der Kornspitz wurde vor mehreren Jahrzehnten von dem Unternehmen Backaldrin als neues Gebäck zusammen mit dessen Namen, welcher seitdem in Österreich als Marke registriert ist, entwickelt. Dieser Name setzt sich aus den Begriffen "Korn", welcher auf den dunklen, aus Getreide hergestellten Teig hinweist, und "spitz", welcher auf die beiden spitz zulaufenden Enden des länglichen, gerollten Gebäcks anspielt, zusammen. Dieses wurde eines der beliebtesten Gebäcke in Österreich, welches unter dem Namen "Kornspitz" jedermann bekannt ist und jeden Tag verkauft wird, auch wenn gelegentlich andere Bezeichnungen verwendet werden.

Wie der Europäische Gerichtshof in C-409/12 ausführt, vertreibt die Markeninhaberin unter der Marke eine Backmischung an Bäcker, welche damit das Gebäck herstellen und es als Kornspitz an Endabnehmer und Lebensmittelhändler verkaufen, welche es ihrerseits als Kornspitz an ihre eigenen Kunden verkaufen. Allerdings gibt es auch Bäcker, die "Kornspitz" aus ihrer eigenen, ähnlichen Backmischung herstellen, ohne die Zwischenprodukte von Backaldrin zu verwenden.

Die österreichische Marke Kornspitz wurde 2010 von dem Mitbewerber Pfahnl mit der Begründung angegriffen, dass Kornspitz seine Unterscheidungskraft verloren hätte und eine gebräuchliche Bezeichnung eines Gebäcks geworden sei. Es wurde die Löschung für die Waren "Mehle und Getreidepräparate; Backmittel; Teiglinge, auch tiefgefroren, für die Herstellung von feinen Backwaren" sowie "Backwaren; feine Backwaren, auch zum Aufbacken vorbereitet" beantragt. Die erste Instanz löschte die Marke antragsgemäß. Wenngleich den Bäckern und Lebensmittelhändlern zumeist der Schutz der Marke bekannt ist (es gibt etwa 1500 Bäcker in Österreich), verkaufen sie das Produkt ohne jeglichen Hinweis auf diesen Umstand oder die Herkunft des Zwischenprodukts, der Mischung, der Markeninhaberin. Deshalb fassen Millionen Endverbraucher "Kornspitz" als gebräuchliche Bezeichnung dieses beliebten Produkts auf. Das Berufungsverfahren wurde 2012 für eine Vorabentscheidung des EuGH unterbrochen, welche am 6. März 2014 erging (C-409/12).

Der Fall wurde damit an das OLG Wien zurückverwiesen, welches Ende 2014 entschied (34 R 70/14k), die Löschung für die an Verbraucher verkauften Endprodukte, d.h. "Backwaren, feine Backwaren, auch zum Aufbacken vorbereitet", zu bestätigen und im Umfang der übrigen, nur an Bäckereien vertriebenen Produkte aufzuheben. Es gründete seine Entscheidung auf den Feststellungen der ersten Instanz und einer Zeugenaussage, nach der die Markeninhaberin von Beginn an nicht die Absicht hatte, die Endverbraucher über die Herkunft der (aus ihrer Backmischung hergestellten) Produkte zu unterrichten und die Bäcker in keiner Weise aufforderte, "Kornspitz" als individuell geschützte Marke zu präsentieren. Die sehr vereinzelten Abmahnschreiben, die an manche Bäcker versandt wurden, die ihre eigene Backmischung verwendeten, hatten keinen Einfluss auf die Entwicklung des neu geprägten Begriffs zu einer gebräuchlichen Bezeichnung der Endprodukte und sind angesichts der Entscheidung des EuGH, dass hier nur die Auffassung der Endverbraucher unabhängig vom Wissensstand der Bäcker zählt, unerheblich. Auf dieser Grundlage gelten auch die Eintragungen in Wörterbüchern und der Wikipedia nicht, da Endverbraucher diese nicht zurate ziehen, bevor sie beinahe täglich einen "Kornspitz" kaufen. In Bezug auf die Roh- und Zwischenprodukte ist die Situation freilich umgekehrt. Diese sind Produkte, welche hauptsächlich an Bäcker verkauft werden, deren große Mehrheit über die Marke Bescheid weiß und diese mit Backaldrin verbindet. Es gibt diesbezüglich keinen Hinweis auf eine Entwicklung der Marke hin zur Gebräuchlichkeit.

Diese Entscheidung wurde nun vom OGH abschließend aufrecht erhalten (4 Ob 63/15s). Dieser stellte fest, dass das OLG zurecht auf eine Meinungsumfrage unter den Endverbrauchern verzichtet hatte, da die Senatsmitglieder ebendiesen Verkehrskreisen angehören und daher auf Basis ihrer allgemeinen Lebenserfahrung über die Richtigkeit der Feststellungen entscheiden konnten, d.h. dass "Kornspitz" in Österreich eine gebräuchliche Bezeichnung für ein Gebäck geworden ist. Nachdem der EuGH befand, dass die Abwesenheit jedes Versuchs der Markeninhaberin, die Bäcker zu einer Unterrichtung der Endverbraucher dahingehend zu bewegen, die Marke als Herkunftszeichen anzusehen, als "Untätigkeit" aufzufassen ist, ist die teilweise Löschung begründet.

Der Einwand, dass eine teilweise Löschung zu einer massiven Entwertung der verbleibenden Marke führen würde, wurde abgewiesen, da dies der Erkenntnis des EuGH unmittelbar entgegen stünde, dass die Entwicklung zu einer gebräuchlichen Bezeichnung aus Sicht der Endverbraucher zusammen mit dem Umstand, dass die Markeninhaberin von Beginn an keine Schritte unternahm, um die Marke im Hinblick auf die Endverbraucher als Herkunftshinweis zu etablieren und daher diese Entwicklung nur auf ihre eigene Untätigkeit zurückzuführen ist, die alleinige Voraussetzungen für eine rechtmäßige (teilweise) Löschung sind.