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Gespaltene Verkehrsauffassung in Markensachen

In einer jüngeren Entscheidung (4Ob7/12a) befasste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Verwechslungsgefahr zwischen der u.a. für Arzneimittel registrierten Wortmarke "Sinupret" und dem Zeichen "Sinuvex", unter welchem die Beklagte Arzneimittel auf den Markt gebracht hat.

Erst- und Rekursgericht nahmen an, dass die Silbe "sinu" nur wenig zur Kennzeichnungskraft der Marke "Sinupret" beitrage, da "Sinus" in der medizinischen Fachsprache u.a. die Nasennebenhöhlen bezeichnet und "Sinusitis" deren Entzündung. Daher genüge schon ein geringer Abstand der übrigen Zeichenbestandteile, um die Verwechslungsgefahr auch bei Warenidentität auszuschließen. Die untergeordneten Instanzen kamen daher zum Schluss, dass die weiteren Silben "pret" und "vex" ausreichend voneinander abwichen. Der OGH teilte diese Rechtsansicht jedoch nicht.

Der OGH sprach aus, dass es "sinu" nicht an Kennzeichnungskraft mangle, da die angesprochenen Verkehrskreise nicht nur Ärzte und Pharmazeuten, sondern auch Endverbraucher seien, denen keine Kenntnis der Bedeutung von "sinu" zu unterstellen sei. Folglich bestünde eine gespaltene Verkehrsauffassung. Mit Verweis auf EuGH C-412/05 (Alcon) hielt der OGH fest, dass es bei einer derart gespaltenen Verkehrsauffassung genüge, wenn Verwechslungsgefahr nur für einen dieser Verkehrskreise besteht. Nach Auffassung des OGH würden Endverbraucher, die über keine medizinischen Kenntnisse verfügen, aus dem Zeichenbestandteil "sinu" keinesfalls auf eine besondere Zweckbestimmung schließen; aus ihrer Sicht handelte es sich auch dabei um eine reine Phantasiebezeichnung. Auf dieser Grundlage bestünde bei Arzneimitteln Verwechslungsgefahr zwischen den streitverfangenen Zeichen.

Der OGH verwies auch auf eine abweichende Entscheidung des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum, welches in einem Widerspruchsverfahren die Verwechslungsgefahr von "Sinupret" und "Sinuvex" verneint hat. Ausgangspunkt dieser Entscheidung war jedoch die - vom OGH dezidiert nicht geteilte - faktische Feststellung, dass die Silbe "sinu" eine "klare Assoziation" zu Nasennebenhöhlenentzündungen wecke, weswegen sich die Zeichenähnlichkeit nur auf einen schwachen Zeichenbestandteil gründe. Darüber hinaus würdigte der OGH ähnlich gelagerte Entscheidungen des HABM, welche nach Auffassung des OGH seine Entscheidungsgrundlage stützten.

Obgleich die vorliegende OGH-Entscheidung im Ergebnis eher fragwürdig erscheint, ist sie insbesondere dahingehend beachtlich, dass der OGH ausdrücklich auch auf Entscheidungen des HABM (und nicht nur des EuGH bzw. EuG) Bezug nimmt und diesen hohen indiziellen Charakter zuerkennt.

Dr. Rainer Beetz, LL.M.