SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Export vs. Import, Nichtigkeit eines Schutzrechtes, Rückrufbegehren

In einem kürzlich ergangenen Beschluss des Obersten Gerichtshofes wurden Entscheidungen getroffen, welche in Zukunft Antworten zu brennenden Fragen bei Patentverletzungsverfahren geben könnten.

Der Fall selbst betrifft ein transdermales Pflaster zum Verabreichen eines Schmerzmittels, nämlich Fentanyl. Die Erstbeklagte ist österreichische Zulassungsinhaberin für ein solches Pflaster, das sie unter der Bezeichnung "Fentoron" vertreibt. Die Zweitbeklagte (deutsche Konzernmutter der Erstbeklagten) erzeugt dieses Produkt in Deutschland. Die Klägerin stützte die angebliche Patentverletzung und ihren Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung auf ihr europäisches Patent und ein aus der Anmeldung zu diesem Patent abgezweigtes Gebrauchsmuster.

Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung gab es sieben Einsprüche verschiedener Parteien gegen das europäische Patent, in Deutschland waren bereits drei Gebrauchsmuster (mit von dem österreichischen Gebrauchsmuster unterschiedlichen, engeren Schutzbereichen) nichtig erklärt worden.

Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, den Erst- und Zweitbeklagten mittels Einstweiliger Verfügung den Vertrieb, Verkauf, Gebrauch, Besitz und/oder Import bzw. die Verbringung nach Österreich zum Zwecke des Vertriebs, Verkaufs, Gebrauchs und/oder Besitzes von Transdermal-Pflastern zu verbieten, welche einen oder mehrere im Einzelnen genannte Ansprüche des europäischen Patents bzw. des österreichischen Gebrauchsmusters erfüllen. Darüber hinaus beantragte sie, der Erstbeklagten aufzutragen, die Produkte, welche die vorgenannten Patent- und Gebrauchsmusteransprüche verwirklichen, prompt, spätestens jedoch binnen acht Tagen ab Rechtswirksamkeit der Einstweiligen Verfügung, von Zwischen- und Großhändlern gegen Rückerstattung des Einstandspreises zurückzurufen.

Das Handelsgericht Wien als Erstgericht wies den Antrag ab, stellte die Nichtigkeit sowohl des europäischen Patents als auch des österreichischen Gebrauchsmusters fest und hielt fest, dass es nicht feststellen konnte, dass die Zweitbeklagte das Produkt in die Republik Österreich einführt. Hinsichtlich der Nichtigkeit verwies das Erstgericht darauf, dass die Beklagten den Nichtigkeitseinwand im Wesentlichen bloß auf die Löschung des deutschen Gebrauchsmusters gestützt hätten. Detaillierte Tatsachenbehauptungen zur mangelnden Rechtsbeständigkeit würden zwar fehlen; auch sei das Vorbringen der Klägerin unvollständig. Das Gericht habe daher aus den vorgelegten Bescheinigungsmitteln über die Parteienbehauptungen hinaus Feststellungen treffen müssen, die jedoch in den Rahmen des Parteienvorbringens fielen und daher zu beachten seien (tatsächlich hatten die Beklagten ein detailliertes Gutachten zur Nichtigkeit des österreichischen Gebrauchsmusters vorgelegt und auf das laufende Einspruchsverfahren gegen das europäische Patent sowie die bereits gelöschten deutschen Gebrauchsmuster mit engerem Schutzbereich als das europäische Patent verwiesen).

Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht erließ die Einstweilige Verfügung, machte deren Wirksamkeit jedoch vom Erlag einer Sicherheit von 500.000 EUR abhängig. Die Beklagten hätten kein Tatsachenvorbringen erstattet, dem sich entnehmen ließe, das Klagspatent und das Klagsgebrauchsmuster seien nicht rechtsbeständig. Für die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur fehlenden Rechtsbeständigkeit der Schutzrechte fehlten taugliche Tatsachenbehauptungen der Beklagten, weshalb diese Feststellungen unberücksichtigt bleiben müssten, die Schutzrechte der Klägerin seien daher als rechtsbeständig anzusehen. Für die Zulässigkeit einer Einstweiligen Verfügung sei darüber hinaus allein maßgeblich, ob die Gefahr durch Maßnahmen im Inland gebannt werden könne. Die in Österreich erlassene Einstweilige Verfügung könne nach der EuGVVO auch in Deutschland vollstreckt werden. Die Zweitbeklagte habe ausdrücklich zugestanden, dass sie das Produkt nach Österreich exportiere.

Der Oberste Gerichtshof ließ den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten als berechtigt zu und wies das Sicherungsbegehren, das Unterlassungsbegehren und das Rückrufbegehren der Klägerin letztinstanzlich ab.

Zum Sicherungsbegehren: Das Erstgericht hatte die Negativfeststellung getroffen, es stehe nicht fest, dass die Zweitbeklagte (deutsche Konzernmutter der Erstbeklagten) das Produkt nach Österreich einführt. Das Rekursgericht verkannte hier, dass der Export eines Produkts zwar den Import desselben Produkts einschließt, dass aber Exporteur und Importeur nicht identisch sein müssen und es im Regelfall auch nicht sind. Wenn daher die Zweitbeklagte das Produkt aus Deutschland (und nach Österreich) exportiert, so folgt daraus nicht, dass sie es auch - von Österreich aus gesehen - importiert. Der Zweitbeklagten können nur Handlungen untersagt werden, die sie im territorialen Schutzbereich des Klagspatents und des Klagsgebrauchsmusters begeht; wenn sie Ware aus Deutschland exportiert, wird sie nicht in Österreich tätig, und zwar auch dann nicht, wenn Österreich Bestimmungsland des Exports ist. Das gegen die Zweitbeklagte gerichtete Sicherungsbegehren wurde daher abgewiesen.

Zum Unterlassungsbegehren: Das Vorbringen der Beklagten zur Gültigkeit der beiden Schutzrechte könne als bloße Rechtsfolgenbehauptung gesehen werden, die das Gericht nicht verpflichtet, ein Bescheinigungsverfahren zur Frage der Neuheit und der Erfindungshöhe einzuleiten.

Wenn das Gericht aber dennoch Bescheinigungen aufnimmt und Feststellungen trifft, dann sind diese Feststellungen zwar überschießend, aber nicht unbeachtlich, wenn und soweit sie sich im Rahmen der Einwendungen halten. Das treffe für die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur mangelnden Neuheit und zur mangelnden Erfindungshöhe des Klagspatents und des Klagsgebrauchsmusters zu. Dass die Feststellungen eine schlüssige Beurteilung der Frage von Neuheit und Erfindungshöhe und damit der Rechtsbeständigkeit der Schutzrechte ermöglichen, gestand das Rekursgericht auch selbst zu.

Das gegen die Erstbeklagte gerichtete Unterlassungsgebot wurde aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Mittlerweile hat das Rekursgericht die Rechtssache dann an das Erstgericht zurückverwiesen, dieses bestätigte seine Entscheidung bezüglich Nichtigkeit der Schutzrechte, die Klägerin wandte sich nochmals an das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht, welches nun aber das Erstgericht bestätigte und den Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung endgültig abwies.

Zum Rückrufbegehren: Hier entschied der Oberste Gerichtshof, dass für den Beseitigungsanspruch ganz allgemein gelte, dass eine Beseitigung nur aufgetragen werden darf, wenn die Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands auch tatsächlich in der Verfügungsmacht des Verletzers liegt, welche Verfügungsbefugnis des Verletzers der Kläger zu behaupten und zu beweisen habe. Dass auch gegen einen Unterlassungstitel verstoßen werde, solange der rechtswidrige Zustand nicht beseitigt und dies dem Verpflichteten zuzurechnen ist, spräche nicht dagegen, sondern dafür, dass bei der Erlassung eines Beseitigungsgebots darauf abzustellen ist, ob der Verletzer verfügungsbefugt ist. Mit ihrem Rückrufbegehren mache die Klägerin einen Beseitigungsanspruch geltend, der - auch wenn man ihn nicht als Beseitigungsanspruch, sondern als Maßnahme zur Absicherung des Unterlassungsanspruchs auffassen wollte - die (fortbestehende) Verfügungsmacht der Erstbeklagten über die veräußerten Pflaster voraussetze. Dass die Erstbeklagte noch verfügungsberechtigt wäre, habe die Klägerin weder behauptet noch bescheinigt.

Ist eine Ware übergeben und der Kaufpreis bezahlt, dann ist der Verkäufer regelmäßig nicht befugt, noch über die Ware zu verfügen. Das Rückrufbegehren sei demnach unabhängig davon nicht berechtigt, ob eine Schutzrechtsverletzung überhaupt vorläge.

DI Peter Pawloy