SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Grenze zwischen patentrechtlich schützbaren neuen Indikationen und wirkungslosen Nahrungsergänzungsmitteln

In diesem Verfahren (17 Ob 35/09k - vom 9. Februar 2010) ging es um die Verletzung des EP 0 656 786 B1 mit folgendem Anspruch 1: "Verwendung eines Isoflavon-Phytoöstrogen-Extrakts von Soja oder Klee für die Herstellung eines Medikaments zur Verabreichung in Dosierungseinheitsform für die Behandlung des prämenstruellen Syndroms, von Symptomen, die mit der Menopause verbunden sind, oder von Prostatakrebs."

Die Beklagte vertrieb Produkte, die 8 % Rotklee-Extrakte mit Isoflavon-Phytoöstrogenen enthielten, als Nahrungsergänzungsmittel, dessen Einnahme nach der Produkt-Beschreibung unter anderem Erleichterung bei Menstruations- oder Wechseljahrbeschwerden infolge der darin unter anderem enthaltenen Isoflavone des Rotklees bewirken soll. Die Beklagte wendete dabei aber ein, dass es sich dabei nicht um ein Medikament handle, weil das Nahrungsergänzungsmittel ohne therapeutische Heilwirkung sei.

Das Erstgericht gab mit einem Teilurteil dem Unterlassungsbegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der OGH beschäftigte sich in diesem Fall erstmals und eingehend mit der patentrechtlichen Definition des Begriffes "Medikament" und legte dabei die - weite - Auslegung, wie sie in der Praxis vor dem EPA entwickelt wurde, zugrunde: Der Begriff der therapeutischen Behandlung im Sinne des Art. 52 Abs. 4 EPÜ (Art. 53c EPÜ 2000) erfasse in seinem Kern die Wiederherstellung der Gesundheit durch Heilung von Krankheiten sowie die Linderung von Leiden, aber auch Verfahren zur Erhaltung der Gesundheit durch prophylaktische Behandlungen. Aber auch die Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit, selbst wenn ihre Verminderung nicht durch Krankheit verursacht ist, müsse als therapeutische Behandlung im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden. Auch wenn die Befindlichkeitsstörungen natürliche Ursachen hätten (z.B. Menstruation, Schwangerschaft, Alter), so deckten sie sich doch mit Krankheits- und Verletzungssymptomen und sind oft kaum davon zu unterscheiden. Es sei nur schwer möglich und nicht angebracht, zwischen Therapien gegenüber Ursachen und gegenüber Symptomen zu unterscheiden.

Unterhalb der Grenze zur medizinischen Prophylaxe liegen nach Ansicht des OGH nur Verfahren, die nur der Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens dienen, wie z.B. die Verwendung gesunder Lebensmittel (Reformkost) oder die ärztlich nicht konkret indizierte Verabreichung von Vitaminen.

In Fällen eines zweckbestimmten Stoffschutzes unter Angabe des Verwendungszwecks im Patentanspruch begrenze der Verwendungszweck den Schutzbereich des Patents. Ob ein Dritter von der Lehre eines solchen Patents Gebrauch macht, hänge in erster Linie davon ab, ob der gleiche Stoff zu dem gleichen Zweck benutzt wird. Dies sei vom Kläger zu beweisen, wobei hier auch ein "Anscheinsbeweis" in Frage komme.

Dr. Daniel Alge