SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Duldung (Verwirkung)

Dem Österreichischen Rechtssystem ist ein Konzept bzw. eine Verteidigung auf Grundlage der Verwirkung von Rechten durch Duldung eines Verhaltens in der Vergangenheit fremd - lediglich die Verjährung ist bekannt. Der Verwirkungstatbestand wurde allerdings als Fremdkörper in das Markenrecht und in das UWG insofern eingeführt, als dieser kommerziell genutzte Kennzeichen im Sinne von Art. 9 der EU Marken-Harmonisierungsrichtlinie regelt, welche in Österreich erst 1999 vollständig umgesetzt wurde. So wundert es nicht, dass österreichische Markeninhaber und Gerichte Schwierigkeiten mit diesem Konzept haben.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte am 22. September 2009, in der Sache 17 Ob 14/09x zum "Burberry-Check-Karo"-Design die Gelegenheit, in der Entscheidungsbegründung seinen Standpunkt darzulegen. Burberry verfügt über Markenschutz für das Karo-Design, welcher sich auch auf Regenschirme erstreckt. Die beklagte Partei verkauft Regenschirme mit diesem Design in ihren Geschäften, welche sie von einem Hersteller bezieht, der Burberry seit 1994 bekannt ist. Burberry hat jedoch nicht den Hersteller verklagt, sondern lediglich dessen Kunden.

Die Beklagte wandte u.a. ein, das Burberry seinen Markenschutz aufgrund von Verwirkung nicht geltend machen könne. Dem OGH wurden folgende Fragen vorgelegt: Was sind die Bedingungen für den Verwirkungstatbestand für im Handel genutzte - jedoch nicht registrierte - Kennzeichen, und unter welchen Umständen ist eine Verwirkung bezüglich des Herstellers auch auf Händler seiner Produkte anwendbar.

Was die zweite Frage betrifft, so ging der OGH von der Tatsache aus, dass die Händler und der Hersteller getrennte juristische Personen sind und hielt dazu fest, dass die rechtlichen Konsequenzen aus der Verwirkung nicht an Dritte übertragen werden können. Demnach hat die Beklagte durch den Verkauf der Produkte die Marken selbst verletzt, so dass sie sich auf Verwirkung für diese Verkäufe berufen müsste - was sie jedoch nicht konnte.

Zur ersten Frage betrachtete der OGH die Erläuterungen zur Rechtsgrundlage und erkannte, dass für registrierte Marken Art. 9 der Harmonisierungs-RL offensichtlich so auszulegen ist, dass die geltende Frist von 5 Jahren für die Verwirkung ungeachtet einer früheren Benutzung mit der Registrierung der jüngeren Marke beginnt. Für andere Kennzeichen kann dies nur bedeuten, dass als maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Frist das Datum heranzuziehen ist, an dem sie den Status eines der registrierten Marke vergleichbaren Rechts erhalten. Für kommerziell genutzte Kennzeichen kann ein solcher qualifizierter Rechtsstatus nur durch Verkehrsgeltung erreicht werden, die im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen werden konnte. Somit ist die Vorbenutzung nicht maßgeblich.

Diese Entscheidung drückt aus, was für viele eine ungerechte Interpretation von Art. 9 der Marken-Harmonisierungs-RL darstellt, nämlich, dass eine langjährig bekannte Vorbenutzung nicht berücksichtigt werden soll. Aus diesem Grund wird das Ergebnis des vom Englischen Berufungsgericht an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungersuchens in der Sache C-482/09 mit Spannung erwartet. Dabei handelt ist sich um die Marke Budweiser für Bier, welche in Großbritanien seit mehr als 30 Jahren gleichzeitig durch die tschechische Brauerei aus Budvar und Anheuser-Bush aus den USA genutzt wird. Alles andere als die Anerkennung der Verwirkung würde als realitätsfremd angesehen werden. Wenn hier allerdings die Vorbenutzung anerkannt wird, würden sich eine Vielzahl anderer Vorbenutzungen ebenfalls für die Berufung auf Verwirkung qualifizieren. Dies hätte eine massive Auswirkung auf die bislang vorherrschende Auslegung von Art. 9 der Marken-Harmonisierungs-RL.

DI Helmut Sonn