SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Antrag auf Überprüfung nach Art. 112a EPÜ

Zur Praxis der Großen Beschwerdekammer hinsichtlich der Missachtung des "Grundsatzes des rechtlichen Gehörs" (Art. 113 EPÜ) in Fällen eines Antrags auf Überprüfung nach Art. 112a:

Mit dem EPÜ 2000 (in Kraft seit 13. Dezember 2007) wurde eine Möglichkeit zur Überprüfung von Entscheidungen der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts geschaffen. Diese erlaubt jedem Beteiligten eines Beschwerdeverfahrens, der durch die Entscheidung der Beschwerdekammer beschwert ist, einen Antrag auf Überprüfung zu stellen, sofern das Beschwerdeverfahren mit schwerwiegenden Verfahrensmängeln behaftet war.

Ungefähr zwanzig Fälle wurden bis jetzt von der Großen Beschwerdekammer entschieden. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle wurde eine Verletzung des "Rechts auf Gehör" während des Beschwerdeverfahrens geltend gemacht. Bis jetzt wurde allerdings erst ein einziger Fall mit einer erfolgreichen Anfechtung der Beschwerdeentscheidung abgeschlossen (R 7/09).

In diesem Fall erhielt der Patentinhaber eine günstige Entscheidung der Einspruchsabteilung. Die Gegenpartei reichte daraufhin eine Formalbeschwerde ein, die zugestellt und vom Patentinhaber entgegengenommen wurde. Die Beschwerdebegründung gelangte allerdings nicht zum Vertreter des Patentinhabers (obwohl diese in der elektronischen Akte auf der Website des EPA zur Verfügung gestellt wurde). Der Patentinhaber reichte daraufhin keine Erwiderung ein. Da der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur mit einem Hilfsantrag beantragt hatte, wurde das Patent von der Technischen Beschwerdekammer vollumfänglich ohne mündliche Verhandlung widerrufen.

Die Große Beschwerdekammer gewährte den Antrag auf Überprüfung durch den Patentinhaber, da diesem keine Möglichkeit eingeräumt wurde, im Beschwerdeverfahren gehört zu werden. Der Fall wurde somit vor der Technischen Beschwerdekammer wiederaufgenommen.

Von Interesse ist hier vor allem, dass die Große Beschwerdekammer in den bereits ergangenen Entscheidungen Richtlinien erarbeitet hat, unter welchen Voraussetzungen der Antragsteller unter diesem Titel (Verletzung von Art. 113 EPÜ) mit Erfolg rechnen kann. Die Große Beschwerdekammer hat zwei Voraussetzungen definiert:

  1. Ein Antragssteller muss den Nachweis erbringen, dass die überprüfte Entscheidung auf Einschätzungen bzw. Schlussfolgerungen mit Bezug auf Begründungen bzw. Beweismittel beruht, die der beschwerten Partei nicht bewusst waren und zu denen sie sich nicht äußern konnte, und
  2. der Antragssteller muss weiters den Beweis führen, dass eine ursächliche Verbindung zwischen dem Verfahrensmangel und der endgültigen Entscheidung besteht, da ansonsten der mutmaßliche Mangel nicht als ausschlaggebend und somit nicht als schwerwiegend angesehen werden kann.

Diese beiden Begründungen wurden bereits in einer Reihe von Entscheidungen (R 1/08, R 11/08, R 6/09, und R 13/09) herangezogen und können somit als ständige Rechtssprechung angesehen werden.

Dr. Daniel Alge