SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Unentgeltliche Benutzung von Marken-geschützten Waren und Dienstleistungen

Binnen kürzester Zeit hatte der EuGH zwei Vorlagefragen des Obersten Patent- und Markensenats zu beantworten. Beide Fragen betrafen Art. 12 der Marken-Richtlinie, d.h. die rechtserhaltende Markenbenutzung. In beiden Fällen wurde die Marke vom Markeninhaber unentgeltlich benutzt. Demzufolge könnte man annehmen, dass die Antworten zu beiden Fällen ähnlich sein sollten – keineswegs.

Die erste Entscheidung (Rechtssache C-442/07 – Radetzky) betraf einen gemeinnützigen Verein, der sich der Pflege soldatischer Traditionen, wie Held- und Gedenkfeiern, der Veranstaltung von Gedenkmessen, Kameradschaftstreffen und der Pflege von Kriegerdenkmälern sowie karitativen Tätigkeiten, wie dem Sammeln von Sach- und Geldspenden, widmet. Dieser Verein hatte verschiedene Wort-Bild-Marken, die im Wesentlichen Ehrenzeichen darstellen, registriert. Vereinsmitglieder trugen entsprechende Orden und Ehrenzeichen während verschiedenster Veranstaltungen sowie beim Sammeln und Verteilen von Spenden. Zudem wurden die Marken auch auf druckschriftlichen Einladungen für Veranstaltungen abgedruckt.

Wenig überraschend erkannte der EuGH in diesem Fall, dass selbstverständlich eine rechtserhaltende Markenbenutzung vorliegt, sofern ein ideeller Verein die Marke in der Öffentlichkeit auf Ankündigungen von Veranstaltungen, auf Geschäftspapieren und auf Werbematerial sowie beim Sammeln und Verteilen von Spenden verwendet, sofern die Mitglieder entsprechende Ansteckzeichen tragen. Demzufolge kann auch ein gemeinnütziger Verein selbstverständlich rechtserhaltende Markenbenutzungen vornehmen. An der Richtigkeit dieser Entscheidung können keine Zweifel bestehen.

Der zweite Fall (Rechtssache C-495/07 – Silberquelle) hingegen betraf die Marke WELLNESS für alkoholfreie Getränke. Die Markeninhaberin benutzte diese Marke als Kennzeichnung von alkoholfreien Getränken. Dennoch erkannte der EuGH diese öffentliche Benutzung als nicht rechtserhaltend an. Weshalb?

Nach Ansicht des EuGH handelt es sich hierbei nicht um rechtserhaltende Markenbenutzungen, da die Markeninhaberin die mit der Marke gekennzeichneten Getränke nicht verkauft hat, sondern vielmehr als Geschenk kostenlos zu der ebenfalls unter der Marke verkauften Textilwaren beigab. Nach Ansicht des EuGHs liegt somit keine rechtserhaltende Markenbenutzung vor, sofern die Inhaberin die Marke lediglich auf Gegenständen anbringt, die er Käufern von Waren kostenlos mitgibt.

Dieses – höchst zweifelhafte – Erkenntnis des EuGHs wird mit einem Verweis auf die Ansul-Entscheidung (C-40/01) begründet, wonach ein Markenschutz nicht fortdauern dürfe, wenn die Marke ihren geschäftlichen Sinn und Zweck verliert, der darin besteht, dass für die Waren und Dienstleistungen, die mit die Marke bildenden Zeichen versehen sind, ein Absatzmarkt erschlossen oder gesichert wird.

Diese Begründung mag keinesfalls zu überzeugen. Ein genaues Studium der Ansul-Entscheidung zeigt, dass der Verweis auf die Erschließung oder Sicherung eines Absatzmarktes nur verwendet wurde, um eine rechtserhaltende Benutzung der Marke von einer lediglich innerhalb des betreffenden Unternehmens vorgenommenen Benutzung zu unterscheiden. Keinesfalls intendierte der EuGH jedoch, ein weiteres ungeschriebenes subjektives Tatbestandsmerkmal für die rechtserhaltende Markenbenutzung aufzustellen.

In der Silberquelle-Entscheidung riss der EuGH die Ausführungen in der Ansul-Entscheidung jedoch aus dem Zusammenhang und hob diese in den Rang einer allgemeinen Voraussetzung für die rechtserhaltende Markenbenutzung. Zudem erscheint der Verweis auf die kostenlose Benutzung im Leitsatz der EuGH-Entscheidung äußerst irreführend. Ob die in Frage stehende Ware unentgeltlich oder gegen Bezahlung benutzt wird, kann selbstverständlich nicht zur Differenzierung zwischen rechtserhaltender Markenbenutzung und einem bloßen Scheingebrauch dienen.

Demzufolge ist die Silberquelle-Entscheidung keinesfalls dahingehend zu verstehen, dass grundsätzlich die kostenlose Abgabe von Waren automatisch keine rechtserhaltende Markenbenutzung darstellt. Es kann nur gehofft werden, dass aus der Silberquelle-Entscheidung, welche auf einem ganz speziellen Einzelfall beruht, keine allgemeinen Schlussfolgerungen gezogen werden. Unerfreulicherweise führt die Entscheidung jedenfalls dazu, dass rechtsverletzende und rechtserhaltende Markenbenutzungen nun auseinander laufen, da im vorliegenden Fall die Beigabe der Getränke jedenfalls eine Markenverletzung dargestellt hätte.

Dr. Rainer Beetz