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Unrichtige Auslegung von Gemeinschaftsrecht durch den OGH Kein Schadenersatzanspruch aufgrund einer (eventuell) unzulässigen EV

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat der OGH klargestellt, dass die Klägerin nicht für einen etwaigen Schaden haftet, der aufgrund einer EV entstanden ist, welche in Anbetracht einer späteren EuGH-Entscheidung unzulässig erscheint.

Im vorliegenden Fall war die Beklagte Großhändlerin für Verbrauchmaterial für Kopierer und Drucker. Die in Südostasien und Amerika bezogene Ware verkaufte die Beklagte im sog. Zollausschlussverfahren in Länder außerhalb des EWR. Hiefür verfügte die Beklagte über ein Zollfreilager in Österreich. Nach Ansicht der Markeninhaberin Canon stellte dieser "Import nach Österreich" eine Markenverletzung iSv Art. 5 (3) der Markenharmonisierungs-RL dar.

Die österreichischen Gerichte folgten der Rechtsansicht der Klägerin und erließen eine EV, nach welcher die Beklagte einen derartigen "Import" ins Zollfreilager in Österreich einstweilen zu unterlassen hatte. Obgleich die Beklagte darauf drängte, dass eine Vorlagefrage an den EuGH gerichtet werde, sah der OGH - trotz seiner Verpflichtung, dies zu tun - hievon ab.

In Anbetracht der nachfolgenden Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH in einer anderen Rechtssache (vgl. C-405/03) scheint klar, dass die erlassene EV ungerechtfertigt war. Demzufolge machte die Beklagte einen Ersatz für den ihr entstandenen Schaden aufgrund der (vermeintlich) unzulässig erlassenen EV nach § 394 EO geltend. Der Entschädigungsanspruch nach § 394 EO setzt voraus, dass der Anspruch, zu dessen Sicherung die EV bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wurde oder sich das Sicherungsbegehren "sonst als ungerechtfertigt erweist". Eine rechtskräftige Entscheidung in dieser Sache lag nicht vor, sodass der OGH sich im Detail damit auseinandersetzte, ob sich das Sicherungsbegehren "sonst als ungerechtfertigt" erwiesen hatte. Dies verneinte der OGH mit der Begründung, dass andernfalls in dem summarischen Verfahren zur Liquidierung von Schäden gemäß § 394 EO geprüft werden müsste, ob tatsächlich ein zu sichernder Anspruch nicht bestanden hatte.

Demzufolge kann die Beklagte, gegen die eine EV erlassen wurde, welche in Anbetracht einer späteren EuGH-Entscheidung offensichtlich ungerechtfertigt war, keinen Entschädigungsanspruch geltend machen.

Im vorliegenden Verfahren wurde jedoch nicht geklärt, ob ein derartig Geschädigter nicht aufgrund der Staatshaftung der Republik Österreich einen Schadenersatzanspruch geltend machen kann, sofern der OGH entgegen seiner Verpflichtung nach Art. 234 Abs. 3 EU-Vertrag eine Frage betreffend das Europarecht nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegt. Dies könnte für aufgrund einer Nicht-Vorlage durch den OGH Geschädigte ein Ausweg sein.

Dr. Rainer Beetz, LL.M.