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"Bösgläubigkeit" im Markenrecht – der Kampf um den "Goldhasen"

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat ein neues Vorlageersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EUGH) gerichtet, und zwar betreffend die dreidimensionale Marke eines sitzenden goldenen Schokoladehasen (GM Nr. 1.698.885).

Die Vorlagefragen betreffen eine übliche Praxis in Ländern, in denen ein Vorgebrauch von Marken dem Vorbenutzer keine Rechte zuerkennt, zumindest sofern dieser Vorgebrauch keine höhere Qualifikation erreicht, nämlich zu einer ausreichenden Verkehrsgeltung geführt hat. Wenn jemand diese Marke später registrieren lässt, dann kann er bloße Vorbenutzer am weiteren Gebrauch hindern, unabhängig davon, wie lange dieser nicht-qualifizierte Vorgebrauch bereits gedauert hat. Dies ist das Wesen eines reinen Registrierungssystems, wie etwa jenes nach der Gemeinschaftsmarken-Verordnung, die keinen Mitgliedsstaat zwingt, Vorbenutzerrechte anzuerkennen.

Es waren und sind viele verschiedene "Goldhasen" auf dem Markt, zumal diese ein beliebtes Ostergeschenk sind. Die Hersteller von den der Gemeinschaftsmarke sehr ähnlichen Goldhasen wurden von deren Inhaber abgemahnt, manchmal auch verklagt, und stellten letztlich ihren Vertrieb solcher Goldhasen ein.

Der Inhaber der Gemeinschaftsmarke selbst vermarktet intensiv seinen Goldhasen mit einem höheren Verkaufspreis als die Konkurrenten. Dies auch seit 1994 auf dem österreichischen Markt, auf dem dieser ebenso wie in Deutschland jedenfalls ab 2003 als sehr bekannte Marke anzusehen ist. Der Markeninhaber verklagte einen österreichischen Konkurrenten wegen dessen Vermarktung eines sehr ähnlichen Goldhasens, von welcher er vor den Verkaufshandlungen, die der Anlass für das Verwarnungsschreiben und schließlich der Klage in 2003 waren, nichts gewusst hatte.

Der Beklagte erhob Widerklage auf Löschung der Marke, gestützt auf Art. 51 Abs. 1 lit  a (mangelnde Registrierbarkeit) und lit b (bösgläubige Anmeldung) der Gemeinschaftsmarken-Verordnung. Der OGH ist offenbar der Ansicht, dass der Angriff gestützt auf lit a nicht erfolgreich sein kann, entweder wegen der Verkehrsgeltung oder wegen unterscheidungskräftiger Merkmale. Deshalb ist der Angriff gestützt auf lit b (Bösgläubigkeit) der entscheidungswesentliche Punkt der Widerklage.

Der OGH meint, dass der Begriff "Bösgläubigkeit" auslegungsbedürftig sei. Nirgends im Gemeinschaftsrecht findet sich eine Definition oder Erläuterung von "Bösgläubigkeit". Kann eine Firma, die später ihr bekanntes Produkt als 3D-Marke anmeldet, diese Marke dann dazu benutzen, Wettbewerbern zu verbieten, ihre bereits vor dieser Registrierung und deren Prioritätsdatum vermarkteten sehr ähnlichen Produkte weiter zu vertreiben, deren Markterfolge nicht intensiv genug waren, um eigene durchsetzbare Rechte zu erwerben? Diese offene Frage führt den OGH dazu, vom EUGH betreffend die Auslegung von Art. 51 Abs. 1 lit b GMV mittels dreier Fragen um Anleitung zu bitten. Diese drei Fragen sind kurzgefasst die folgenden:

  1. Ist es bösgläubig, eine Marke anzumelden, in der Absicht, Mitbewerber an der weiteren Benutzung dieses Zeichens zu hindern, von dessen früherer Benutzung der Markeninhaber Kenntnis hatte? (Das in diesem Falle vorgetragene Gegenargument besteht darin, dass dies jedenfalls nicht automatisch so sein kann, da das Ausschlussrecht Dritter das Wesen des Markenrechts ausmacht.)

  2. Wenn die erste Frage verneint wird, ist es dann unter den gleichen Umständen bösgläubig, wenn der Mitbewerber bereits einen "wertvollen Besitzstand" erworben hat? (Im Verfahren wird "wertvoller Besitzstand" als erreicht angesehen, wenn aufgrund der Dauer der Benutzung und/oder der Werbung eine gewisse Bekanntheit erreicht wurde, ohne dass bereits Verkehrsgeltung gegeben wäre, die ältere Rechte verliehe, die der Gemeinschaftsmarke als Drittrechte entgegengehalten werden könnten.)

  3. Wenn die Fragen 1 oder 2 bejaht werden: Ist dann Bösgläubigkeit auszuschließen, wenn der registrierten Marke bereits Verkehrsgeltung zukommt? (Hiezu wird im Fall vorgetragen, dass dann schon aus der Verkehrsgeltung gegen den Mitbewerber hätte vorgegangen werden können und der Markenanmelder nur das Ziel verfolgte, durch eine Registrierung ihm eine leichtere Verfolgung der Verletzungen zu ermöglichen.)

Der Kampf um die Vermarktung von "Goldhasen" wurde in Österreich durch die Jahre aufmerksam verfolgt, nicht zuletzt wegen der heftigen Kontroversen, die auch über die Medien ausgetragen wurden; dieser Kampf ist nun auf seinem Höhepunkt.

Dipl.-Ing. Helmut Sonn