SONN Patentanwälte – IP Attorneys

Versendung von Verwarnungsschreiben: Der Empfänger macht den Unterschied

Die Versendung von Verwarnungsschreiben im Vorfeld einer möglichen Patentverletzungsklage ist gängige Praxis; allerdings bestehen in der EU große Unterschiede in welchem Ausmaß solche Verwarnungen zulässig sind.

Die österreichische Praxis hinsichtlich der Versendung von Verwarnungsschreiben an (potentielle) Patentverletzer ist vergleichsweise liberal. Im Falle eines erteilten Patents kann sich der Patentinhaber exzessiv auf die ihm zustehenden Ansprüche aus dem Patent berufen (z.B. auf die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung oder einer Inhaftierung). Die einzige diesbezügliche Schranke wird durch § 1 UWG gesetzt, d.h. die Versendung darf nicht gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr verstoßen. Ein derartiger Verstoß liegt z.B. vor, wenn der Patentinhaber jemanden verwarnt, obwohl er von der Nichtigkeit des Patents wusste oder wenn der Patentinhaber das Patent bösgläubig erworben hat.

Die rechtliche Lage ist jedoch anders, wenn der Empfänger nicht der vermeintliche Patentverletzer ist, sondern ein Dritter, z.B. ein Kunde des Patentverletzers. Dies wurde in einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 184/06x) erkannt; hier hatte der Patentinhaber ein Verwarnungsschreiben an einen Kunden des Klägers gesendet und diesen Kunden darüber informiert, dass der Kläger seine Patente verletzt. Der Patentinhaber wurde sohin auf Unterlassung der Versendung solcher Briefe an die Kunden des Klägers in Anspruch genommen.

Der OGH unterschied in seiner Entscheidung deutlich zwischen einem Verwarnungsschreiben, das an den (vermeintlichen) Patentverletzer gesendet wird und einem Verwarnungsschreiben an einen Kunden dieses Patentverletzers. Das direkte Verwarnen des Patentverletzers fällt unter § 1 UWG (für einen Unterlassungsanspruch hat der Empfänger somit zu beweisen, dass dies "gegen die guten Sitten verstößt"), das Versenden von Verwarnungsschreiben an einen Kunden des potentiellen Patentverletzers hingegen fällt unter § 7 UWG, d.h. Herabsetzung eines Unternehmens ("Wer zu Zwecken des Wettbewerbes über das Unternehmen eines anderen, über [...] Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, ist, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Schadenersatz verpflichtet. [...]").

In diesem Fall trägt somit der Absender des Verwarnungsschreibens die Beweislast. Demzufolge ist das Versenden eines Verwarnungsschreibens an einen Kunden eines vermeintlichen Patentverletzers nur erlaubt, wenn der Patentinhaber in der Lage ist, die Verletzung tatsächlich zu beweisen.