SONN Patentanwälte – IP Attorneys

EU-Verordnung zum Gemeinschaftspatent:Der Vorhang hat sich gehoben

Am 1. August 2000 präsentierte die Kommission den Vorschlag für eine EU-Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent. Im vorliegenden, lang erwarteten Entwurf, welcher dem "Grünbuch" von 1997 folgt, wird das rechtliche Umfeld des Gemeinschaftspatentes festgelegt, welches eine Alternative und/oder Ergänzung zum derzeitigen europäischen Patentsystem darstellen soll.

Gemäß dem vorliegenden Entwurf wird das Gemeinschaftspatent vom Europäischen Patentamt (EPA) gemäß den Regeln des EPÜ erteilt (also einschließlich Einspruch und (in Zukunft) Einschränkungsverfahren). Das Gemeinschaftspatent soll dann einen einheitlichen und autonomen Charakter haben.

Der EU-Gerichtshof für geistiges Eigentum

Nichtigkeit und Verletzung sollen durch einen neu zu gründenden EU-Gerichtshof für geistiges Eigentum (Community Intellectual Property Court, CIPC) behandelt werden. Dieser Gerichtshof soll nach einer Ergänzung des EU-Vertrages eingerichtet werden. Diese Änderungen des EU-Vertrages sind derzeit Gegenstand der zwischenstaatlichen Regierungskonferenz zur institutionellen Reform und sollen die Einrichtung von spezialisierten und zentralisierten Gerichten erlauben, welche eine exklusive Gerichtsbarkeit für das gesamte Gemeinschaftsterritorium im jeweiligen Spezialbereich haben – zum Beispiel in Bezug auf Nichtigkeit und Verletzung eines Gemeinschaftspatents.

Der CIPC soll seine eigenen Verfahrensregeln haben, einstweilige Maßnahmen setzen, Strafen festsetzen können und Schadensersatz zusprechen können. Abgesehen von der Nichtigkeit und Verletzung soll der CIPC auch exklusive Gerichtsbarkeit für negative Feststellungsanträge, für Einschränkungen (hier ergibt sich ein Konflikt zwischen dem vorliegenden Entwurf und der geplanten EPÜ-Revision, mit welchem das EPA mit solchen Einschränkungsverfahren betraut wird) oder für Verfahren zum Vorbenutzungsrecht an Gemeinschaftspatenten haben. Das Gemeinschaftspatent darf allerdings nicht Gegenstand für Handlungen in Bezug auf zu befürchtende Verletzungen sein.

Alle anderen Streitigkeiten, die das Recht auf ein Patent, die Übertragung eines Patentes, die vertraglichen Lizenzen oder allgemeine Angelegenheiten zum unlauterem Wettbewerb (worin Gemeinschaftspatente verwickelt sind) betreffen, sind von nationalen Gerichten zu behandeln.

Die Übersetzungsanforderungen

Nach dem vorliegenden Entwurf wird ein Gemeinschaftspatent ohne jegliche weitere Übersetzung durchsetzbar. Eine Übersetzung kann nur in Gerichtsverfahren gegen einen vermuteten Verletzer notwendig werden, wenn angenommen werden kann, dass der Verletzer nicht wissentlich ein Patent verletzt hat, weil er nicht fähig war, den Text eines Patentes in der Amtssprache im Staat, in der der Verletzer seinen Sitz hat, zu konsultieren. Dieses ist aber nur im Hinblick auf Schadenersatz relevant.

Vorläufiger Schutz (mit dem Anspruch auf angemessene Entschädigung) ist allerdings nur möglich, wenn der Anmelder entweder eine Übersetzung der Ansprüche der Person, die die Erfindung benutzt, zukommen hat lassen, und zwar in der Amtsprache des Mitgliedsstaates in der die entsprechenden Person ihren Sitz hat oder eine derartige Übersetzung beim EPA eingereicht hat.

Andere Bestimmungen

Das Gemeinschaftspatent soll ein Exklusivrecht sein, d.h. Doppelschutz durch ein Gemeinschaftspatent und ein nationales Patent (oder ein Europäisches Patent) soll nicht möglich sein. Ferner ist selbst Doppelschutz einer Erfindung durch ein Gemeinschaftspatent und ein nationales Gebrauchsmuster ausgeschlossen.

Die Kommission wird für die Erteilung von Zwangslizenzen verantwortlich sein und soll berechtigt sein, in eigenem Namen Nichtigkeitsverfahren beim CIPC einzureichen, wenn es "für das Interesse der Gemeinschaft wichtig ist". Beschwerden gegen Entscheidungen der Kommission werden vom Europäischen Gerichtshof (Gericht der Ersten Instanz) angehört.